Bei unserem Seminar hatten wir einen sehr besonderen Gast: Ioan Bucuras, Politologe, der über viel praktische Erfahrung in der EU-Politik verfügt. Er erklärte zunächst, was der Begriff Advocacy bedeutet – die offene Vertretung einer Idee, einer Strategie und eines Plans. Wie können wir dies als YouthBridge, als eine so vielfältige Gruppe, umsetzen? Wir bekamen eine Anleitung:
1. Feststellung des Sinns und des Zwecks – die Idee zuspitzen!
2. Recherche – Gibt es schon ähnliche Interessenvertretungen?
3. Haben diese europäische Präsenz?
4. Einschätzung: Lohnt es sich, eine Organisation zu gründen?
Diese Schritte sind notwendig, damit die eigenen Ideen und Interessen in die Öffentlichkeit und die Politik gelangen! Außerdem gibt es drei Arten von Advocacy: die direkte Advocacy, die detaillierte und strategische Advocacy und die Corporate Social Responsibility.
Bei der direkten Advocacy stehen spontane und unmittelbare Aktionen im Vordergrund. Ein Beispiel hierfür ist die spontane Kampagne der #DontTouchMyShengen-Bewegung, bei der sich innerhalb weniger Stunden eine riesige Menschenmenge mobilisierte, um gegen die Kontrolle der EU-Binnengrenzen während des starken Flüchtlingszuzugs 2015 zu demonstrieren.
Bei der detaillierten und strategischen Advocacy versucht man langfristig, ein großes gemeinsames Ziel zu erreichen. Ein Beispiel hierfür ist die #MovEuropeForward-Kampagne, die das Ziel hat, die Wahlbeteiligung bei zukünftigen Europawahlen zu erhöhen.
Und bei der Corporate Social Responsibility geht es darum, dass Großkonzerne soziale Projekte unterstützen. Ein aktueller Fall ist die Kampagne des International Erasmus Exchange Student Networks gegen den exzessiven Alkoholmissbrauch von Studenten während Auslandsaufenthalten, die das Unternehmen Pernod Ricard unterstützt.
Und: Habt Ihr schon gewusst? In Brüssel gibt es rund 4.000 Vereine, Verbände und Bündnisse, die ihre Interessen in die EU-Politik hineintragen!
Nach der anschließenden Podiumsdiskussion, an der Mario Hierhager (Vorsitzender SdJ – Jugend für Mitteleuropa), Olga Dub-Büssenschütt (CSU) und Dr. Neda Caktas (Kroatische Gemeinde München) teilnahmen, waren endlich wir an der Reihe: Wir sollten in Gruppen eine Advocacy-Kampagne erstellen. Darüber werden wir noch berichten.
Wir fanden das Seminar spannend und informativ! Doch wie fanden es unsere Gäste?
Ioan Bucuras: „Es hat mich sehr gefreut, bei YouthBridge einen Vortrag halten zu dürfen! Die Arbeit hat mir Riesenspaß gemacht und ich kann nicht oft genug wiederholen und betonen, wie begabt und intelligent diese Gruppe war!“
Mario Hierhager: „Ich habe mich auch sehr gefreut, dabei gewesen zu sein und einen Teil der YouBis einmal live miterleben zu können. Es war wirklich beeindruckend, wie fundiert und selbstbewusst die Diskussionsbeiträge waren. Das macht Freude für die Zukunft!“
Nach dem Vortrag von Ioan Bucuras und der Podiumsdiskussion hatten wir im praktischen Teil die Aufgabe, eine Advocacy für das Europäische Parlament zu entwickeln. In kleinen Gruppen ging es darum, dass wir uns auf ein Thema einigen und unsere Interessen formulieren. Wir bildeten fünf Gruppen und jede Gruppe hat ihre Ideen im Plenum präsentiert.
Unsere Gruppe hat sich der Jugend gewidmet. Wie die EG und später die EU den Jugendlichen Frieden, wirtschaftliche Sicherheit und Freizügigkeit versprochen und ermöglicht haben, so wollen wir auch die heutige Jugend für das Projekt Europa sensibilisieren und begeistern. Dazu haben wir uns drei konkrete Ideen überlegt: Als Erstes die Ausweitung des #discovereu Programms, das 2018 15.000 Jugendlichen im Alter von 18 Jahren ermöglicht hat, mit einem Interrail-Ticket in Europa zu reisen. Unser Ziel ist, diese Möglichkeit allen Jugendlichen in ganz Europa zu ermöglichen. So werden Kulturen, Sprachen und Menschen greifbarer. Zudem wollen wir das Erasmus-Programm auf Schulen ausweiten. Wir möchten Schülern bereits ab der Oberstufe ermöglichen, im Rahmen eines Austausches für einige Wochen (oder sogar Monate) in das Schulleben ihrer europäischen Freunde einzutauchen. Als dritte Idee möchten wir unterschiedliche Vereine einander näherbringen: Auf internationalen Sportveranstaltungen können sich Jugendliche auf der Basis gemeinsamer Interessen austauschen und Kontakte knüpfen.
Bartosz Paniak
Wir gaben unserer Gruppe den Namen „Society for Tax Justice” (STJ). Das Ziel der STJ ist Steuergerechtigkeit. Konkret fordern wir die EU-weite Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung, um die Steuerflucht von Großkonzernen wie Apple zu beenden. Die dadurch EU-weit eingenommen Steuern sollen gesammelt und an die EU-Mitgliedsstaaten (nach der Einwohnerzahl) verteilt werden. Potenzielle Ansprechpartner für eine mögliche Zusammenarbeit sind Gewerkschaften, politische Parteien sowie NGOs und gemeinnützige Vereine.
Jonas Emrich
Bei unserer Gruppe ging es um das Thema „soziale Unterstützung in Europa”. Wir entschieden uns für zwei Punkte. Erstens: Die Unterstützung der Rentner, da sie oft wenig Geld haben und arbeiten gehen müssen, weil z.B. die Mieten und die Medikamente sehr teuer sind. Zweitens wollen wir Jugendliche unterstützen, die aus schlechten Verhältnisse kommen. Es ist wichtig, dass auch die EU sich mehr auf diese beiden Zielgruppen fokussiert, ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt und sie mit allem, was sie brauchen, versorgt.
Andre Buznykovatyy
Unsere Gruppe hat das Thema „Medienkompetenz in Schulen bringen” gewählt. Die Idee dahinter ist, europäischen Jugendlichen in ihrem schulischen Umfeld beizubringen, wie sie mit digitalen Medien umgehen und Nachrichten selbstständig und kritisch hinterfragen können. Dazu ist es ungemein wichtig, Lehrer fort- bzw. auszubilden, damit sie das nötige Know-how haben, um beispielsweise Jugendliche für radikalisierende Inhalte im Internet zu sensibilisieren.
Natan Bilga
In unserer Gruppe haben wir hervorgehhoben, wie wichtig für Jugendliche und junge Erwachsene Reisen mit Weiterbildung und Praktika innerhalb der EU sind. Dies sollte durch die Unterstützung von privaten Unternehmen und der EU-Kommission realisiert werden. Denn die persönliche Entwicklung und das europäische Bewusstsein der jungen Menschen, die durch diese Reisen gestärkt werden, liegen im Interesse der EU. Und die Unternehmen verbessern ihr öffentliches Bild.
Raphael Bernard