Ege Celik

Am 25.07.2018 fand im Bayerischen Sozialministerium der Fachtag „Antisemitismus –  Erkennen und Handeln“ statt, auf dem wir u.a. unser Projekt YouthBridge vorgestellt haben.

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hielt die Eröffnungsrede und stelle u.a. die Auswirkungen des Antisemitismus in Deutschland dar. Daraufhin sprach Dr. Ludwig Spaenle, Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung, und bezog eine klare Stellung gegen antisemitische Äußerungen und Übergriffe.

Nach den beiden Eröffnungsreden hielt Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel einen wissenschaftlichen Vortrag über den Antisemitismus im digitalen Zeitalter. Mir persönlich gefiel dieser Vortrag sehr gut, da Prof. Dr. Schwarz-Friesel in einem Forschungszeitraum von über zehn Jahren eine beachtliche Anzahl an Texten (300.000 Kommentare und Beiträge auf sozialen Netzwerken) und 20.000 E-Mails ausgewertet hat. Das Ergebnis ist ernüchternd. Der Antisemitismus in Deutschland hat zugenommen. Die Begründung ist häufig: Israelkritik. Bei dieser Form des Antisemitismus wird der Staat Israel als jüdisches Kollektiv gesehen und mit allen Mitteln dämonisiert. Hierzu gehören nicht nur Verschwörungstheorien, sondern auch antisemitische Vorurteile aus dem Mittelalter. Die Menschen äußern sich bewusst antisemitisch und behaupten, lediglich den Staat Israel kritisieren zu wollen. Dabei vergessen sie jedoch den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung. Der Judenhass hat also nicht abgenommen, sondern wird als Israelkritik versteckt. Solche Forschungsergebnisse sind für die Politik sehr wichtig, da sie einen Überblick über die Problematik verschaffen und helfen, effektive Lösungen gegen Antisemitismus und Radikalisierung zu finden.

Anschließend fand eine Podiumsdiskussion statt: André Freud, Geschäftsführer der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Prof. Dr. Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, Benjamin Steinitz, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin, und Sofija Pavlenko, YouthBridge-Teilnehmerin, berichteten über ihre Erfahrungen mit Antisemitismus. Es wurde deutlich, dass es vor allem in den Schulen starke antisemitische Tendenzen gibt. Zur Prävention sollte laut den Teilnehmern eine zentrale Meldestelle eingerichtet werden, deren Aufgabe es sein sollte, Antisemitismus zu erfassen, zu kategorisieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Danach fanden verschiedene Workshops statt, u.a. auch unser Workshop „Antisemitismus unter Jugendlichen – Erkennen und Handeln“. Gemeinsam mit den Teilnehmern thematisierten wir die verschiedenen Arten von Judenfeindlichkeit, berichteten über persönliche Erfahrungen und erarbeiteten Lösungsvorschläge. Hierbei haben wir betont, wie wichtig Kommunikation ist. Antisemitismus an Schulen sollte nicht nur Strafen nach sich ziehen, sondern auch erzieherische Gespräche mit eigens ausgebildeten Lehrern und Sozialpädagogen. Solche Lösungsvorschläge können wirklich etwas bewirken; insbesondere deshalb, weil wir sie als junge Menschen entwickelt haben. Und nicht Erwachsene, die sich nicht mehr in die Rolle eines Schülers hineinversetzen können.

Zum Ende des Fachtags gab es eine Feedbackrunde, in der jeder Teilnehmer seine Eindrücke mitteilen konnte. Für mich war der Fachtag sehr hilfreich. Er hat mir Hoffnung gemacht, da ich gesehen habe, dass es viele Menschen gibt, die sich mit diesem Thema befassen und konkrete Lösungsansätze gegen Antisemitismus haben.

Was nehmen die YouBies vom Fachtag Antisemitismus mit?

„Der Fachtag Antisemitismus löste in mir zahlreiche Emotionen aus, von denen einige ziemlich widersprüchlich sind. So haben sich mir vor allem Angst und Hoffnung eingeprägt. Der Fachtag hat mir nämlich zum einen verdeutlicht, wie verbreitet und gefährlich der Antisemitismus in Deutschland tatsächlich ist. Er versteckt sich in so vielen Lebensbereichen und Situationen, oft zeigt er sich aber auch ganz offen. Zum anderen konnte ich aber auch Hoffnung schöpfen und Stolz empfinden: aufgrund der Hilfsbereitschaft, Produktivität und Empathie der vielen Organisationen und einzelnen Personen, die auf dem Fachtag waren.“

Sofija Pavlenko

„In unserem Workshop sprachen wir u.a. über persönliche Antisemitismuserfahrungen. Dabei haben wir auch die Unterschiede zwischen früher und heute herausgearbeitet. Sie kamen wir zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass das Wort Jude schon in den 1980ern auf vielen deutschen Schulhöfen als Schimpfwort benutzt wurde. Und in den 1960ern wurde in den Schulen so gut wie gar nicht über Antisemitismus geredet. Wir haben auch die Ursachen für Antisemitismus ausgemacht: fehlende jüdische Bezugspersonen und übernommene Denkmuster aus dem Elternhaus bzw. Freundeskreis.

Der Fachtag bleibt mir als eine wertvolle Erfahrung in Erinnerung. Er war eine ausgezeichnete Möglichkeit, mich intensiv mit dem Thema Antisemitismus zu beschäftigen und mit vielen Menschen in Kontakt zu treten, denen dieses Thema genauso wichtig ist wie mir.“

 Natan Bilga

Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel stellte in einer einstündigen Präsentation ihre in mehr als zehn Jahren erarbeiteten Forschungsergebnisse zum Antisemitismus im digitalen Zeitalter vor.

Diese Ergebnisse überraschten mich persönlich sehr, denn ihr Vortrag verdeutlichte, dass der Judenhass nicht, wie im Allgemeinen angenommen wird, in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hat. Vielmehr har er durch das Internet sogar eine neue Dimension erreicht. Im Web, so Prof. Dr. Schwarz-Friesel, würden Juden, vor allem auch der Staat Israel, dämonisiert und als das personifizierte Übel betrachtet. Schwarz-Friesel erläuterte, dass diese Einstellung bei vielen Menschen im Unterbewussten vorhanden sei. Im Internet, wo sich die Nutzer anonym bewegen können, würden antisemitische Hetze sowie der Hass auf Juden und auf Israel verbreitet und verstärkt. Erschreckend für mich war, dass sich die aktuelle Sprache kaum oder gar nicht von der Sprache der antisemitischen Texte unterscheidet, die weit vor dem Mittelalter entstanden.

Die vorgestellten Studienergebnisse haben einen neuen Blick darauf geworfen, wie die Menschen in Deutschland den Antisemitismus wahrnehmen. Die judenfeindlichen Hassnachrichten im Netz zeigen, dass Antisemitismus ein sehr ernstzunehmendes Thema ist. Und da Worte oftmals auch in Taten umschlagen, sind wir alle verpflichtet, der Judenfeindlichkeit mit Solidarität und Handlungsbereitschaft entgegenzutreten.

Akin Laja

Foto: StMAS/Nikolaus Schäffler